„Mond ist golden aufgegangen“
 

Der Mond in Liedern und Gedichten
 
 

Digitale Sammlung Ernst Giger



 
 

Ballade
Ernst Moritz Arndt

Und die Sonne machte den weiten Ritt
Um die Welt,
Und die Sternlein sprachen: „Wir reisen mit
Um die Welt“;
Und die Sonne, sie schalt sie: „Ihr bleibt zu Haus!
Den ich brenn euch die goldnen Äuglein aus
Bei dem feurigen Ritt um die Welt.“
Und die Sternlein gingen zum lieben Mond
In der Nacht,
Und sie sprachen: „Du, der auf Wolken trohnt
In der Nacht,
Laß uns wandeln mit dir, denn dein milder Schein,
Er verbrennet uns nimmer die Äugelein.“
Und er nahm sie, Gesellen der Nacht.
Nun willkommen, Sternlein und lieber Mond,
In der Nacht!
Ihr versteht, was still in dem Herzen wohnt
In der Nacht.
Kommt und zündet die himmlischen Lichter an,
Daß ich lustig mit schwärmen und spielen kann
In den freundlichen Spielen der Nacht.
 


Spätherbst
Adolf Bartels

Sieh die Mondessichel dort
über schwarzen Bäumen
blätterleer – der Herbst will fort,
Winter wird nicht säumen.

Himmel ist so licht und klar,
ob auch Nebel steigen.
Morgen hängt es wunderbar,
silbern an den Zweigen.
 


Der Spinnerin Nachtlied
Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren
Wohl auch die Nachtigall,
Das war wohl süßer Schall,
Da wir zusammen waren.

Ich sing und kann nicht weinen
Und spinne so allein
Den Faden klar und rein,
Solang der Mond wird scheinen.

Als wir zusammen waren,
Da sang die Nachtigall;
Nun mahnet mich ihr Schall,
Daß du von mir gefahren.

So oft der Mond mag scheinen,
Denk ich wohl dein allein,
Mein Herz ist klar und rein,
Gott wolle uns vereinen.

Seit du von mir gefahren,
singt stets die Nachtigall,
Ich denk bei ihrem Schall,
Wie wir zusammen waren.

Gott wolle uns vereinen,
Hier spinn ich so allein,
Der Mond scheint klar und rein,
Ich sing und möchte weinen.


Sprich aus der Ferne!
Clemens Brentano

Sprich aus der Ferne,
Heimliche Welt,
Die sich so gerne
Zu mir gesellt!

Wenn das Abendrot niedergesunken,
Keine freudige Farbe mehr spricht,
Und die Kränze still leuchtender Funken
Die Nacht um die schattichte Stirne flicht:

Wehet der Sterne
Heiliger Sinn
Leis durch die Ferne
Bis zu mir hin.

Wenn des Mondes still lindernde Tränen
Lösen der Nächte verborgenes Weh,
Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen
Schiffen die Geister im himmlischen See.

Glänzender Lieder
Klingender Lauf
Ringelt sich nieder,
Wallet hinauf.

Wenn der Mitternacht heiliges Grauen
Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht,
Und die Büsche gar wundersam schauen,
Alles sich finster, tiefsinnig bezeugt:

Wandelt im Dunkeln
Freundliches Spiel,
Still Lichter funkeln
Schimmerndes Ziel.

Alles ist freundlich wohlwollend verbunden,
Bietet sich tröstend und traurend die Hand,
Sind durch die Nächte die Lichter gewunden,
Alles ist ewig im Innern verwandt.

Sprich aus der Ferne,
Heimliche Welt,
Die sich so gerne
Zu mir gesellt!


Wiegenlied
Clemens Brentano

Singet leise, leise, leise,
Singt ein flüsternd Wiegenlied,
Von dem Monde lernt die Weise,
Der so still am Himmel zieht.

Singt ein Lied so süß gelinde,
Wie die Quellen auf den Kieseln,
Wie die Bienen um die Linde
Summen, murmeln, flüstern, rieseln.
 



 

Kirschblüte bei der Nacht
Barthold Hinrich Brockes

Ich sahe mit betrachtendem Gemüte
Jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte,
In kühler Nacht beim Mondenschein;
Ich glaubt’, es könne nichts von größrer Weiße sein.

Es schien, ob wär ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der kleinste Ast
Trug gleichsam eine rechte Last
Von zierlich-weißen runden Ballen.

Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt,
Indem daselbst des Mondes sanftes Licht
Selbst durch die zarten Blätter bricht,
Sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat.

Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden
Was Weißers aufgefunden werden.
Indem ich nun bald hin, bald her
Im Schatten dieses Baumes gehe,

Sah ich von ungefähr
Durch alle Blumen in die Höhe
Und ward noch einen weißern Schein,
Der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar,

Fast halb darob erstaunt, gewahr.
Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein
Bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht
Von einem hellen Stern ein weißes Licht,
Das mir recht in die Seele strahlte.

Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergetze,
Dacht ich, hat Er dennoch weit größre Schätze.
Die größte Schönheit dieser Erden
Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.


Die Nacht
Georg Büchner

Ein kleines Weihnachtsgeschenk von G. Büchner für seine
guten Eltern. 1828

Niedersinkt des Tages goldner Wagen,
Und die stille Nacht schwebt leis’ herauf,
Stillt mit sanfter Hand des Herzens Klagen,
Bringt uns Ruh im schweren Lebenslauf.

Ruhe gießt sie in das Herz des Müden,
Der ermattet auf der Pilgerbahn,
Bringt ihm wieder seinen stillen Frieden,
Den des Schicksals rauhe Hand ihm nahm.

Ruhig schlummernd liegen alle Wesen,
Feiernd schließet sich das Heiligtum,
Tiefe Stille herrscht im weiten Reiche,
Alles schweigt im öden Kreis herum.

Und der Mond schwebt hoch am klaren Äther,
Geußt sein sanftes Silberlicht herab;
Und die Sternlein funkeln in der Ferne
Schau’nd herab auf Leben und auf Grab.

Willkommen Mond, willkommen sanfter Bote
Der Ruhe in dem rauhen Erdental,
Verkündiger von Gottes Lieb und Gnade,
Des Schirmers in Gefahr und Mühesal.

Willkommen Sterne, seid gegrüßt ihr Zeugen
Der Allmacht Gottes der die Welten lenkt,
Der unter allen Myriaden Wesen
Auch meiner voll von Lieb’ und Gnade denkt.

Ja, heil’ger Gott, du bist der Herr der Welten,
Du hast den Sonnenball emporgetürmt,
Hast den Planeten ihre Bahn bezeichnet,
Du bist es, der das All mit Allmacht schirmt.

Unendlicher, den keine Räume fassen,
Erhabener, den Keines Geist begreift,
Allgütiger, den alle Welten preisen,
Erbarmender, der Sündern Gnade beut!

Erlöse gnädig uns von allem Übel,
Vergib uns liebend jede Missetat,
Laß wandeln uns auf deines Sohnes Wege,
Und siegen über Tod und über Grab.

(Ebenfalls 1828 (?), als Fortsetzung von „Die Nacht“
angelegt:)

Leise hinter düsterm Nachtgewölke
Tritt des Mondes Silberbild hervor;
Aus des Wiesentales feuchtem Grunde
Steigt der Abendnebel leicht empor.

Ruhig schlummernd liegen alle Wiesen,
Feiernd schweigt des Waldes Sängerchor,
Nur aus stillem Haine, einsam klagend,
Tönet Philomeles Lied hervor.

Schweigend steht des Waldes düstre Fichte,
Süß entströmt der Nachtviole Duft,
Um die Blumen spielt des Westwinds Flügel,
Leis hinstreichend durch die Abendluft.

Doch was dämmert durch der Tannen Dunkel,
Blinkend in Selenens Silberschein?
Hochauf hebt sich zwischen schroffen Felsen
Einsam ein verwittertes Gestein.

An der alten Mauer dunklen Zinnen
Rankt der Efeu üppig sich empor,
Aus des weiten Burghofs öder Mitte
Ragt ein rings bemoster Turm hervor.

Fest noch trotzen alte Strebepfeiler;
Aufgetürmet wie zur Ewigkeit
Stehen sie und schaun wie ernste Geister
Nieder auf der Welt Vergänglichkeit.

Still und ruhig ist’s im öden Raume,
Wie ein weites Grab streckt er sich hin;
Wo einst kräftige Geschlechter blühten,
Nagt die Zeit jetzt, die Zerstörerin.

Durch der alten Säle düstre Hallen
Flattert jetzt die scheue Fledermaus,
Durch die rings zerfallnen Bogenfenster
Streicht der Nachtwind pfeifend ein und aus.

Auf dem hohen Söller wo, die Laute
Schlagend, einst die edle Jungfrau stand,
Krächzt der Uhu seine Totenlieder;
Klebt sein Nest der Rabe an die Wand.

Alles, alles hat die Zeit verändert
Überall nagt ihr gefräßger Zahn,
Über alles schwingt sie ihre Sense;
Nichts ist, was die schnelle hemmen kann.
 


Abendlied
Matthias Claudius

Der Mond ist aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolzen Menschenkinder
sind eitel arme Sünder
und wissen gar nicht viel;
wir spinnen Luftgespinste
und suchen viele Künste
und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß uns dein Heil schauen,
auf nichts Vergänglichs trauen,
nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein.

Wollst endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
laß uns in Himmel kommen,
du unser Herr und unser Gott!

So legt euch denn, ihr Brüder,
in Gottes Namen nieder;
kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
und laß uns ruhig schlafen
und unsern kranken Nachbar auch.


Weg
Theodor Däubler

Mit dem Monde will ich wandeln:
Schlangenwege über Berge
Führen Träume, bringen Schritte
Durch den Wald dem Monde zu.

Durch Zypressen staunt der plötzlich,
Dass ich ihm entgegengeh’.
Aus dem Ölbaum blaut er lächelnd,
Wenn mich’s friedlich talwärts zieht.

Schlangenwege durch die Wälder
Bringen mich zum Silbersee:
Nur ein Nachen auf dem Wasser,
Heilig oben unser Mond.

Schlangenwege durch die Wälder
Führen mich zu einem Berg.
Oben steht der Mond und wartet,
Und ich steige leicht empor.


Freund Husch
Von Paula und Richard Dehmel

Husch, husch, husch,
ich putze meinen Busch.
Der Mond ist da, der Mond ist hell;
der Mond, der ist mein Spielgesell,
husch.
Husch, husch, husch,
ich schlüpfe aus dem Busch.
Ich stecke mein Laternchen an,
ich zünde uns die Sternchen an,
husch.
Husch, husch, husch,
ich schüttel meinen Busch.
Die Kinderchen sind all zur Ruh,
ich schüttel ihnen Träume zu;
die haben wir vergangne Nacht,
der Mond und ich, uns ausgedacht,
husch.
Husch, husch, husch,
ich schlüpfe in den Busch.
Ich puste mein Laternchen aus,
ich suche mir ein Sternchen aus,
das laß ich droben Wache stehn,
nun kann ich ruhig schlafen gehn,
husch, husch, husch,
im Busch.


Helle Nacht
Richard Dehmel

Weich küßt die Zweige
der weiße Mond.
Ein Flüstern wohnt
im Laub, als neige,
als schweige sich der Hain zur Ruh:
Geliebte du –

Der Weiher ruht, und
die Weide schimmert.
Ihr Schatten flimmert
in seiner Flut, und
der Wind weint in den Bäumen:
wir träumen – träumen –

Die Weiten leuchten
Beruhigung.
Die Niederung
hebt bleich den feuchten
Schleier hin zum Himmelssaum:
o hin – o Traum –


Unterwegs
Richard Dehmel

Vor meinem Lager liegt der helle
Mondschein auf der Diele.
Mir war, als fiele
auf die Schwelle
das Frühlicht schon;
mein Auge zweifelt noch.

Und ich hebe mein Haupt und sehe,
sehe den fremden Mond
in seiner Höhe
glänzen. Und ich senke,
senke mein Haupt und denke
an meine Heimat.

Wer hat die schönsten Schäfchen?
Die hat der goldne Mond,
der hinter unsern Bäumen
am Himmel oben wohnt.

Er kommt am späten Abend,
wenn alles schlafen will,
hervor aus seinem Hause
am Himmel leis und still.

Dann weidet er die Schäfchen
auf seiner blauen Flur;
denn all die weißen Sterne
sind seine Schäfchen nur.

Sie tun sich nichts zuleide,
hat eins das andre gern,
und Schwestern sind und Brüder
da droben Stern an Stern.

Und soll ich dir eins bringen,
so darfst du niemals schrein,
mußt freundlich wie die Schäfchen
und wie die Schäfer sein.


Mondesaufgang
Annette von Droste-Hülshoff

An des Balkones Gitter lehnte ich
Und wartete, du mildes Licht, auf dich.
Hoch über mir, gleich trübem Eiskristalle,
Zerschmolzen schwamm des Firmamentes Halle;
Der See verschimmerte mit leisem Dehnen,
Zerflossne Perlen oder Wolkentränen?
Es rieselte, es dämmerte um mich,
Ich wartete, du mildes Licht, auf dich.

Hoch stand ich, neben mir der Linden Kamm,
Tief unter mir Gezweige, Ast und Stamm;
Im Laube summte der Phalänen Reigen,
Die Feuerfliege sah ich glimmend steigen,
Und Blüten taumelten wie halb entschlafen;
Mir war, als treibe hier ein Herz zum Hafen,
Ein Herz, das übervoll von Glück und Leid
Und Bildern seliger Vergangenheit.

Das Dunkel stieg, die Schatten drangen ein –
Wo weilst du, weilst du denn, mein milder Schein?
Sie drangen ein wie sündige Gedanken,
Des Firmamentes Woge schien zu schwanken,
Verzittert war der Feuerfliege Funken,
Längst die Phaläne an den Grund gesunken,
Nur Bergeshäupter standen hart und nah,
Ein düstrer Richterkreis, im Düster da.

Und Zweige zischelten an meinen Fuß
Wie Warnungsflüstern oder Todesgruß;
Ein Summen stieg im weiten Wassertale
Wie Volksgemurmel vor dem Tribunale;
Mir war, als müsse etwas Rechnung geben,
Als stehe zagend ein verlornes Leben,
Als stehe ein verkümmert Herz allein,
Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein.

Da auf die Wellen sank ein Silberflor,
Und langsam stiegst du, frommes Licht, empor;
Der Alpen finstre Stirnen strichst du leise,
Und aus den Richtern wurden sanfte Greise;
Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,
An jedem Zweige sah ich Tropfen blinken,
Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein,
Drin flimmerte der Heimatlampe Schein.

O Mond, du bist mir wie ein später Freund,
Der seine Jugend dem Verarmten eint,
Um seine sterbenden Erinnerungen
Des Lebens zarten Widerschein geschlungen,
Bist keine Sonne, die entzückt und blendet
In Feuerströmen lebt, im Blute endet -
Bist, was dem kranken Sänger sein Gedicht,
Ein fremdes, aber o! ein mildes Licht.


Wann der Hahn kräht
Joseph von Eichendorff

Wann der Hahn kräht auf dem Dache,
Putzt der Mond die Lampe aus,
Und die Stern ziehn von der Wache,
Gott behüte Land und Haus!


Frühlingsnacht
Joseph von Eichendorff

Über’n Garten durch die Lüfte
Hört’ ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängt’s schon an zu blühn.

Jauchzen möcht’ ich, möchte weinen,
Ist mir’s doch, als könnt’s nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.

Und der Mond, die Sterne sagen’s,
Und in Träumen rauscht’s der Hain,
Und die Nachtigallen schlagen’s:
Sie ist Deine, sie ist dein!



 

Nachts
Joseph von Eichendorff

Ich wandre durch die stille Nacht,
Da schleicht der Mond so heimlich sacht
Oft aus der dunklen Wolkenhülle,
Und hin und her im Tal
Erwacht die Nachtigall,
Dann wieder alles grau und stille.

O wunderbarer Nachtgesang:
Von fern im Land der Ströme Gang,
Leis schauern in den dunklen Bäumen -
Wirrst die Gedanken mir,
Mein irres Singen hier
Ist wie ein Rufen nur aus Träumen.
 


Mondnacht
Joseph von Eichendorff

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nur träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternenklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
 


Elfe
Josef von Eichendorff

Bleib bei uns!
Wir haben den Tanzplan im Tal
Bedeckt mit Mondesglanze
Johanniswürmchen erleuchten den Saal,
Die Heimchen spielen zum Tanze.
Die Freude,
Das schöne, leichtgläubige Kind,
Es wiegt sich in Abendwinden:
Wo Silber auf Zweigen und Büschen rinnt,
Da wirst du die Schönste finden.


An den Mond
Johann Wolfgang von Goethe

Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh- und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud’ und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd’ ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuß
Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,
was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergißt!

Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu!

Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Haß verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.


Dämmrung senkte sich von oben
Johann Wolfgang von Goethe

Dämmrung senkte sich von oben,
Schon ist alle Nähe fern;
Doch zürst emporgehoben Holden
Lichts der Abendstern!

Alles schwankt ins Ungewisse,
Nebel schleichen in die Höh;
Schwarzvertiefte Finsternisse
Widerspiegelnd ruht der See.

Nun im östlichen Bereiche
Ahn ich Mondenglanz und -glut,
Schlanker Weiden Haargezweige
Scherzen auf der nächsten Flut.

Durch bewegter Schatten Spiele
Zittert Lunas Zauberschein,
Und durchs Auge schleicht die Kühle
Sänftigend ins Herz hinein.


Der Totentanz
Johann Wolfgang von Goethe

Der Türmer, der schaut zu Mitten der Nacht
Hinab auf die Gräber in Lage;
Der Mond, der hat alles ins Helle gebracht;
Der Kirchhof, er liegt wie am Tage.
Da regt sich ein Grab und ein anderes dann:
Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,
In weißen und schleppenden Hemden.

Das reckt nun, es will sich ergetzen sogleich,
Die Knöchel zur Runde, zum Kranze,
So arm und so jung, und so alt und so reich;
Doch hindern die Schleppen am Tanze.
Und weil hier die Scham nun nicht weiter gebeut,
Sie schütteln sich alle, da liegen zerstreut
Die Hemdelein über den Hügeln.

Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,
Gebärden da gibt es vertrackte;
Dann klippert’s und klappert’s mitunter hinein,
Als schlüg man die Hölzlein zum Takte.
Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;
Da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:
Geh ! hole dir einen der Laken.

Getan wie gedacht ! und er flüchtet sich schnell
Nun hinter geheiligte Türen.
Der Mond und noch immer er scheinet so hell
Zum Tanz den sie schauderlich führen.
Doch endlich verlieret sich dieser und der,
Schleicht eins nach dem andern gekleidet einher,
Und, husch, ist es unter dem Rasen.

Nur einer, der trippelt und stolpert zuletzt
Und tappet und grapst an den Grüften;
Doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt,
Er wittert das Tuch in den Lüften.
Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,
Geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück,
Sie blinkt von metallenen Kreuzen.

Das Hemd muß er haben, da rastet er nicht,
Da gilt auch kein langes Besinnen,
Den gotischen Zierat ergreift nun der Wicht
Und klettert von Zinne zu Zinnen.
Nun ist’s um den armen, den Türmer getan !
Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,
Langbeinigen Spinnen vergleichbar.

Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt!
Gern gäb er ihn wieder, den Laken.
Da häkelt – jetzt hat er am längsten gelebt -
Den Zipfel ein eiserner Zacken.
Schon trübet der Mond sich verschwindenden Scheins,
Die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,
Und unten zerschellt das Gerippe.


Dem aufgehenden Vollmonde
Johann Wolfgang von Goethe

Willst du mich sogleich verlassen!
Warst im Augenblick so nah!
Dich umfinstern Wolkenmassen,
Und nun bist du gar nicht da.

Doch du fühlst, wie ich betrübt bin,
Blickt dein Rand herauf als Stern!
Zeugest mir, dass ich geliebt bin,
Sei das Liebchen noch so fern.

So hinan denn! hell und heller,
Reiner Bahn, in voller Pracht!
Schlägt mein Herz auch schmerzlich schneller,
Überselig ist die Nacht.


Intermezzo
Franz Grillparzer (1833)

Im holden Mond der Maien,
Wenn lichte Blumen blühn,
Geflügelte Schalmeien
Die Waldesnacht durchziehn;
Da hebt sich eine Scholle,
Die Liebe lauscht hervor,
Ob noch der Winter grolle,
Noch laut der Stürme Chor?

Sieht grün sie nun die Weite
Erträgt sie’s nicht im Haus,
Sie fliegt auf Spiel und Beute
Gleich andern Vögeln aus.
Doch friert es etwas nächtig,
Sucht sie der Menschen Dach
Und schürt ein Feuer mächtig
Im jungen Herzen wach.


Wie glänzt der helle Mond
Franz Grillparzer

Wie glänzt der helle Mond so kalt und fern,
Doch ferner schimmert meiner Schönheit Stern!

Wohl rauschet weit von mir des Meeres Strand,
Doch weiterhin liegt meiner Jugend Land!

Ohn’ Rad und Deichsel gibt’s ein Wägelein,
Drin fahr’ ich bald zum Paradies hinein.

Dort sitzt die Mutter Gottes auf dem Thron,
Auf ihren Knien schläft ihr sel’ger Sohn.

Dort sitzt Gott Vater, der den heil’gen Geist
Aus seiner Hand mit Himmelskörnern speist.

In einem Silberschleier sitz’ ich dann
Und schaue meine weissen Finger an.

Sankt Petrus aber gönnt sich keine Ruh,
Hockt vor der Tür und flickt die alten Schuh’.


Lyrisches Intermezzo
Heinrich Heine: Buch der Lieder

Manch Bild vergessener Zeiten
Steigt auf aus seinem Grab,
Und zeigt, wie in deiner Nähe
Ich einst gelebet hab.
Am Tage schwankte ich träumend
Durch alle Straßen herum;
Die Leute verwundert mich ansahn,
Ich war so traurig und stumm.

Des Nachts da war es besser,
Da waren die Straßen leer;
Ich und mein Schatten selbander,
Wir wandelten schweigend einher.
Mit widerhallendem Fußtritt
Wandelt ich über die Brück;
Der Mond brach aus den Wolken,
Und grüßte mit ernstem Blick.

Stehn blieb ich vor deinem Hause,
Und starrte in die Höh,
Und starrte nach deinem Fenster -
Das Herz tat mir so weh.
Ich weiß, du hast aus dem Fenster
Gar oft herabgesehn,
Und sahst mich im Mondenlichte
Wie eine Säule stehn.
 


Die Heimkehr   $
Heinrich Heine: Buch der Lieder

Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen,
In diesem Hause wohnte mein Schatz;
Sie hat schon längst die Stadt verlassen,
Doch steht noch das Haus auf demselben Platz.

Da steht auch ein Mensch und starrt in die Höhe,
Und ringt die Hände, vor Schmerzensgewalt;
Mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe -
Der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt.
Du Doppelgänger! du bleicher Geselle!

Was äffst du nach mein Liebesleid,
das mich gequält auf dieser Stelle,
So manche Nacht, in alter Zeit?
*
»Die Jungfrau schläft in der Kammer,
Der Mond schaut zitternd hinein;
Da draußen singt es und klingt es,
Wie Walzermelodein.

Ich will mal schaun aus dem Fenster,
Wer drunten stört meine Ruh.
Da steht ein Totengerippe,
Und fiedelt und singt dazu:

Hast einst mir den Tanz versprochen,
Und hast gebrochen dein Wort,
Und heut ist Ball auf dem Kirchhof,
Komm mit, wir tanzen dort.

Die Jungfrau ergreift es gewaltig,
Es lockt sie hervor aus dem Haus;
Sie folgt dem Gerippe, das singend
Und fiedelnd schreitet voraus.

Es fiedelt und tänzelt und hüpfet,
Und klappert mit seinem Gebein,
Und nickt und nickt mit dem Schädel
Unheimlich im Mondenschein.«
 


Die Heimkehr
Heinrich Heine: Buch der Lieder

Wie dunkle Träume stehen
Die Häuser in langer Reih;
Tief eingehüllt im Mantel,
Schreite ich schweigend vorbei.

Der Turm der Kathedrale
Verkündet die zwölfte Stund;
Mit ihren Reizen und Küssen
Erwartet mich Liebchen jetzund.

Der Mond ist mein Begleiter,
Er leuchtet mir freundlich vor;
Da bin ich an ihrem Hause,
Und freudig ruf ich empor:

Ich danke dir, alter Vertrauter,
Daß du meinen Weg erhellt;
Jetzt will ich dich entlassen,
Jetzt leuchte der übrigen Welt!

Und findest du einen Verliebten,
Der einsam klagt sein Leid,
So tröst ihn, wie du mich selber
Getröstet in alter Zeit.


Die Heimkehr
Heinrich Heine: Buch der Lieder

Nacht liegt auf den fremden Wegen,
Krankes Herz und müde Glieder; -
Ach, da fließt, wie stiller Segen,
Süßer Mond, dein Licht hernieder.
Süßer Mond, mit deinen Strahlen
Scheuchest du das nächtge Grauen;
Es zerrinnen meine Qualen,
Und die Augen übertauen.
 


Der Gesang der Okeaniden
Heinrich Heine: Buch der Lieder

Abendlich blasser wird es am Meer,
Und einsam, mit seiner einsamen Seele,
Sitzt dort ein Mann auf dem kahlen Strand,
Und schaut, todkalten Blickes, hinauf
Nach der weiten, todkalten Himmelswölbung,
Und schaut auf das weite, wogende Meer -
Und über das weite, wogende Meer,
Lüftesegler, ziehn seine Seufzer,
Und kehren zurück, trübselig,
Und hatten verschlossen gefunden das Herz,
Worin sie ankern wollten -
Und er stöhnt so laut, daß die weißen Möwen,
Aufgescheucht aus den sandigen Nestern,
Ihn herdenweis umflattern,
Und er spricht zu ihnen die lachenden Worte:

»Schwarzbeinigte Vögel,
Mit weißen Flügeln meerüberflatternde,
Mit krummen Schnäbeln seewassersaufende,
Und tranigtes Robbenfleisch fressende,
Eur Leben ist bitter wie eure Nahrung!

Ich aber, der Glückliche, koste nur Süßes!
Ich koste den süßen Duft der Rose,
Der mondscheingefütterten Nachtigallenbraut;
Ich koste noch süßeres Zuckerbackwerk,
Gefüllt mit geschlagener Sahne;
Und das Allersüßeste kost ich,
Süße Liebe und süßes Geliebtsein.

Sie liebt mich! Sie liebt mich! die holde Jungfrau!
Jetzt steht sie daheim, am Erker des Hauses,
Und schaut in die Dämmrung hinaus, auf die Landstraß,
Und horcht, und sehnt sich nach mir – wahrhaftig!
Vergebens späht sie umher, und sie seufzet,
Und seufzend steigt sie hinab in den Garten,
Und wandelt in Duft und Mondschein,
Und spricht mit den Blumen, erzählet ihnen,
Wie ich, der Geliebte, so lieblich bin
Und so liebenswürdig – wahrhaftig!

Nachher im Bette, im Schlafe, im Traum,
Umgaukelt sie selig mein teures Bild,
Sogar des Morgens, beim Frühstück,
Auf dem glänzenden Butterbrote,
Sieht sie mein lächelndes Antlitz,
Und sie frißt es auf vor Liebe – wahrhaftig!«

Also prahlt er und prahlt er,
Und zwischendrein schrillen die Möwen,
Wie kaltes, ironisches Kichern.
Die Dämmrungsnebel steigen herauf;
Aus violettem Gewölk, unheimlich,
Schaut hervor der grasgelbe Mond;
Hochaufrauschen die Meereswogen,
Und tief aus hochaufrauschendem Meer,
Wehmütig wie flüsternder Windzug,
Tönt der Gesang der Okeaniden,
Der schönen, mitleidigen Wasserfraun,
Vor allen vernehmbar die liebliche Stimme
Der silberfüßigen Peleus-Gattin,
Und sie seufzen und singen:

O Tor, du Tor, du prahlender Tor!
Du kummergequälter!
Dahingemordet sind all deine Hoffnungen,
Die tändelnden Kinder des Herzens,
Und ach! dein Herz, Nioben gleich,
Versteinert vor Gram!
In deinem Haupte wirds Nacht,
Und es zucken hindurch die Blitze des Wahnsinns,
Und du prahlst vor Schmerzen!
O Tor, du Tor, du prahlender Tor!
Halsstarrig bist du wie dein Ahnherr,
Der hohe Titane, der himmlisches Feuer
Den Göttern stahl und den Menschen gab,
Und geiergequälet, felsengefesselt,
Olympauftrotzte und trotzte und stöhnte,
Daß wir es hörten im tiefen Meer,
Und zu ihm kamen mit Trostgesang.
O Tor, du Tor, du prahlender Tor!
Du aber bist ohnmächtiger noch,
Und es wäre vernünftig, du ehrtest die Götter,
Und trügest geduldig die Last des Elends,
Und trügest geduldig so lange, so lange,
Bis Atlas selbst die Geduld verliert,
Und die schwere Welt von den Schultern abwirft
In die ewige Nacht.

So scholl der Gesang der Okeaniden,
Der schönen, mitleidigen Wasserfraun,
Bis lautere Wogen ihn überrauschten -
Hinter die Wolken zog sich der Mond,
Es gähnte die Nacht,
Und ich saß noch lange im Dunkeln und weinte.
 


Im Garten im Mondlicht
Heinrich Heine: Buch der Lieder

Im Garten im Mondlicht
Vernehm ich ein leises
Flüstern und Streiten.
Lilien und Rosen
Streiten, wer schöner
Von ihnen blühe;
Wenden die Häupter
Nach mir hin – ich gehe,
Der Mond sieht euch blühen,
Der soll’s entscheiden!
 


In der Mondnacht
Justinus Kerner

Lass dich belauschen,
Du stille Nacht!
Nur Wasser rauschen,
Nur Liebe wacht.

Vom Walde drüben
Tönt süßer Schall,
Es singt von Lieben
Die Nachtigall.

Der Vogel schweiget,
Der Mond entwich,
Zur Blume neiget
Die Blume sich.
 


Im Garten im Mondlicht
Justinus Kerner

Im Garten im Mondlicht
Vernehm ich ein leises
Flüstern und Streiten.
Lilien und Rosen
Streiten, wer schöner
Von ihnen blühe;
Wenden die Häupter
Nach mir hin – ich gehe,
Der Mond sieht euch blühen,
Der soll’s entscheiden!
 



 

Die Mondnacht
Ludwig Gotthard Theobul Kosegarten , 1894

Siehe, wie die Mondesstrahlen
Busch und Flur in Silber malen!
Wie das Bächlein rollt und flimmt!
Strahlen regnen, Funkken schmettern
Von den sanft geregten Blättern,
Und die Tauflur glänzt und glimmt.

Glänzend erdämmern der Berge Gipfel,
Glänzend der Pappeln wogende Wipfel.
Durch die glanzumrauschten Räume
Flüstern Stimmen, gaukeln Träume,
Sprechen mir vertraulich zu.

Seligkeit, die mich gemahnet,
Höchste Lust, die suß mich schwanet,
Spricht, wo Brust nicht, mächtiges Sehen!
Löschet die Wehmut, labende Tränen!
Wie, ach, wie der Qual genesen?

Wo, ach, wo ein liebend Wesen,
Das die süßen Qualen stillt?
Eins ins andre gar versunken,
Gar verloren, gar verunken,
Bis sich jede Ode füllt...

Solches, ach, wähnt’ich, kühlte das Sehen,
Löschte die Wehmut mit köstlichen Tränen.
Eine weiß ich, ach, nur Eine,
Dich nur weiß ich, dich o Reine,
Die des Herzen Wehmut meint.

Dich umringend, von dir umrungen,
Dich umschlingend, von dir umschlungen,
Gar in Eins mit dir geeint...
Schon’, ach schone den Wonneversunk’nen!
Himmel und Erde verschwinden dem Trunk’nen.
 


An den Mond
Theodor Enslin

Guter Mond, du gehst so stille
durch die Abendwolken hin;
deines Schöpfers weiser Wille
hiess auf jener Bahn dich ziehn.

Leuchte freundlich jedem Müden
in das stille Kämmerlein!
Und dein Schimmer giesse Frieden
ins bedrängte Herz hinein.

Guter Mond, o gieße Frieden
In das arme Menschenherz.
Wende von dem Schmerz hienieden
Uns’re Seele himmelwärts.

Mild und freundlich schaust du nieder
Von des Himmels blauem Zelt,
Und es tönen unsre Lieder
Hell hinauf zum Herrn der Welt.

Guter Mond du wandelst leise
An dem blauen Himmelszelt,
Wo dich Gott zu seinem Preise
Hat als Leuchte hingestellt.

Blicke traulich zu uns nieder
Durch die Nacht aufs Erdenrund.
Als ein treuer Menschenhüter
Tust du Gottes Liebe kund.

Guter Mond, du gehst so stille
In den Abendwolken hin,
Bist so ruhig, und ich fühle,
Daß ich ohne Ruhe bin.

Traurig folgen meine Blicke
Deiner stillen, heitern Bahn.
O wie hart ist mein Geschicke,
Daß ich dir nicht folgen kann.

Guter Mond, du wandelst leise
An dem blauen Himmelszelt,
Wo dich Gott zu seinem Preise
Hat als Leuchte hingestellt.

Blicke traulich zu uns nieder
Durch die Nacht aufs Erdenrund!
Als ein treuer Menschenhüter
Tust du Gottes Liebe kund.

Guter Mond, dir will ich’s sagen,
Was mein banges Herze kränkt,
Und an wen mit bittren Klagen
Die betrübte Seele denkt!

Guter Mond, du kannst es wissen,
Weil du so verschwiegen bist,
Warum meine Tränen fließen
Und mein Herz so traurig ist.

Ach, daß auch in uns’re Herzen
Himmelsruhe zöge ein,
Daß wir immer frei von Schmerzen,
Stets zufrieden möchten sein!

Sanft umströmet uns dein Schimmer,
Klarer milder Mondenschein
Menschenerz, o daß du immer
Wärst wie dieses Licht so rein!
 



 

Ritt im Mondenschein
Achim von Arnim

Herz zum Herzen ist nicht weit
Unter lichten Sternen,
Und das Aug, von Tau geweiht
Blickt zu lieben Fernen;
Unterm Hufschlag klingt die Welt,
Und die Himmel schweigen,
Zwischen beiden mir gesellt
Will der Mond sich zeigen.

Zeigt sich heut in roter Glut
An dem Erdenrande,
Gleich als ob mit heißem Blut
Er auf Erden lande.
Doch nun flieht er scheu empor,
Glänzt in reinem Lichte,
Und ich scheue mich auch vor
Seinem Angesichte. –
 



 

Der Mond geht gross
Maximilian Dauthendey

Der Mond geht gross aus dem Abend hervor,
steht über dem Schloss und dem Gartentor
und lässt sanft glühend die Erde los.
Der Mond ist wie eine feurige Ros’,
die meine Liebste im Garten verlor.

Mein Schatten an den steinernen Wänden
geht hinter mir wie ein dienender Mohr.
Ich werde den Mohren hinsenden,
er hebe die Rose vorsichtig auf
und bringe sie ihr in den dunklen Händen.


Gute Nacht
Emmanuel Geibel

Schon fängt es an zu dämmern,
Der Mond als Hirt erwacht,
Und singt der Wolkenlämmern
Ein Lied zur guten Nacht,
Ein Lied, ein Lied zur guten Nacht;
Und wie er singt so leise,
Da dringt vom Sternenkreise
Der Schall in’s Ohr mir sacht,

|: Schlafet in Ruh’,
Schlafet in Ruh’!
Die Liebe Gottes,
Sie deckt euch zu. :|

Und wie nun alle Kerzen,
Verlöschen durch die Nacht,
Da schweigen auch die Schmerzen,
Die Sonn’ und Tag gebracht,
Die Sonn’, die Sonn’ und Tag gebracht;
Und säuseln die Cypressen,
Ein Seliges Vergessen
Durchweht die Lüfte sacht.

|: Schlafet in Ruh’,
Schlafet in Ruh’!
Die Liebe Gottes,
Sie deckt euch zu. :|

Gut’ Nacht denn, all ihr Müden,
Ihr Lieben nah’ und fern;
Bald ruh’ auch ich im Frieden,
Bis glänzt der Morgenstern,
Bis glänzt, bis glänzt der Morgenstern.
Die Nachtigall alleine
Singt noch im Mondenscheine,
Und lobet Gott den Herrn.

|: Schlafet in Ruh’,
Schlafet in Ruh’!
Die Liebe Gottes,
Sie deckt euch zu. :|
 


Das Mondlicht
Nikolaus Lenau

Dein gedenkend, irr ich einsam
Diesen Strom entlang;
Könnten lauschen wir gemeinsam
Seinem Wellenklang!

Könnten wir zusammen schauen
In den Mond empor,
Der da drüben aus den Auen
Leise taucht hervor!

Freundlich streut er meinem Blicke
Aus dem Silberschein
Stromhinüber eine Brücke
Bis zum stillen Hain. -

Wo des Stromes frohe Wellen
Durch den Schimmer ziehn,
Seh ich, wie hinab die schnellen
Unaufhaltsam fliehn.

Aber wo im schimmerlosen
Dunkel geht die Flut,
Ist sie nur ein dumpfes Tosen,
Das dem Auge ruht.

Daß doch mein Geschick mir brächte
Einen Blick von dir!
Süßes Mondlicht meiner Nächte,
Mädchen, bist du mir!

Wenn nach dir ich oft vergebens
In die Nacht gesehn,
Scheint der dunkle Strom des Lebens
Trauernd still zu stehen;

Wenn du über seinen Wogen
Strahlest zauberhell,
Seh ich sie dahingezogen,
Ach! nur allzuschnell!
 


Winternacht
Nikolaus Lenau
1
Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten!

Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.

Frost! friere mir ins Herz hinein,
Tief in das heißbewegte, wilde!
Daß einmal Ruh mag drinnen sein,
Wie hier im nächtlichen Gefilde!
2
Dort heult im tiefen Waldesraum
Ein Wolf; – wie’s Kind aufweckt die Mutter,
Schreit er die Nacht aus ihrem Traum
Und heischt von ihr sein blutig Futter.

Nun brausen über Schnee und Eis
Die Winde fort mit tollem Jagen,
Als wollten sie sich rennen heiß:
Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen!

Laß deine Toten auferstehn
Und deiner Qualen dunkle Horden!
Und laß sie mit den Stürmen gehn,
Dem rauhen Spielgesind aus Norden!

Wilhelm Müller – Tränenregen
Wir saßen so traulich beisammen
Im kühlen Erlendach,
Wir schauten so traulich zusammen
Hinab in den rieselnden Bach.
Der Mond war auch gekommen,
Die Sternlein hinterdrein,
Und schauten so traulich zusammen
In den silbernen Spiegel hinein.

Ich sah nach keinem Monde,
Nach keinem Sternenschein,
Ich schaute nach ihrem Bilde,
Nach ihren Augen allein.

Und sahe sie nicken und blicken
Herauf aus dem seligen Bach,
Die Blümlein am Ufer, die blauen,
Sie nickten und blickten ihr nach.

Und in den Bach versunken
Der ganze Himmel schien
Und wollte mich mit hinunter
In seine Tiefe ziehn.

Und über den Wolken und Sternen,
Da rieselte munter der Bach
Und rief mit Singen und Klingen:
Geselle, Geselle, mir nach!

Da gingen die Augen mir über,
Da ward es im Spiegel so kraus;
Sie sprach: Es kommt ein Regen,
Ade, ich geh nach Haus.
 


Mondes Glanz
Nikolaus Lenau

Auf dem Teich, dem regungslosen,
Weilt des Mondes holder Glanz,
Flechtend seine bleichen Rosen
In des Schilfes grünen Kranz.

Hirsche wandeln dort am Hügel,
Blicken in die Nacht empor;
Manchmal regt sich das Geflügel
Träumerisch im tiefen Rohr.

Weinend muß mein Blick sich senken;
Durch die tiefste Seele geht
Mir ein süßes Deingedenken,
Wie ein stilles Nachtgebet!
 


Wiegenlied
Lermontoff

Schlaf, mein Kleiner,
Du mein Feiner,
Lulle, lulle ein!
Mondesschimmer
Strahlt ins Zimmer,
Schaut ins Bettchen dein.

Werd’ erdichten
Dir Geschichten,
Singen Liedchen fein,
Schlummre süße,
Äuglein schließe,
Lulle, Lulle ein!
Schlaf ein! Schlaf ein!
 


Wiegenlied
Detlev von Liliencron

Vor der Türe schläft der Baum,
Durch den Garten zieht ein Traum.
Langsam schwimmt der Mondeskahn,
Und im Schlafe kräht der Hahn.
Schlaf, mein Wölfchen, schlaf.

Schlaf, mein Wulff. In später Stund
Küß ich deinen roten Mund.
Streck dein kleines, dickes Bein,
Steht noch nicht auf Weg und Stein.
Schlaf, mein Wölfchen, schlaf.

Schlaf, mein Wulff. Es kommt die Zeit,
Regen rinnt, es stürmt und schneit.
Lebst in atemloser Hast,
Hättest gerne Schlaf und Rast.
Schlaf, mein Wölfchen, schlaf.

Vor der Türe schläft der Baum,
Durch den Garten zieht ein Traum.
Langsam schwimmt der Mondeskahn,
Und im Schlafe kräht der Hahn.
Schlaf, mein Wölfchen, schlaf.
 


Die Trichter
Christian Morgenstern
Zwei Trichter wandeln durch die Nacht
durch ihres Rumpfs verengten Schacht
fließt weißes Mondlicht
still und heiter
auf ihren
Waldweg
u.s.
w.
(1902)




Das Mondschaf
Christian Morgenstern

Das Mondschaf steht auf weiter Flur.
Es harrt und harrt der großen Schur.
Das Mondschaf.

Das Mondschaf rupft sich einen Halm
und geht dann heim auf seine Alm.
Das Mondschaf.

Das Mondschaf spricht zu sich im Traum:
„Ich bin des Weltalls dunkler Raum.“
Das Mondschaf.

Das Mondschaf liegt am Morgen tot.
Sein Leib ist weiß, die Sonn’ ist rot.
Das Mondschaf.
 

Lunovis.
Lateinische Übertragung

Lunovis in planitie stat
Cultrumque magn’ expectitat.
Lunovis.
Lunovis herba rapta it
In montes, unde cucurrit.
Lunovis.
Lunovis habet somnium:
So culmen rer’ ess’ omnium.
Lunovis.
Lunovis mane mortuumst.
Sol ruber atque ips’ albumst.
Lunovis.


Das Weiblein mit der Kunkel
Christian Morgenstern

Um stille Stübel schleicht des Monds
barbarisches Gefunkel –
im Gäßchen hoch im Norden wohnt’s,
das Weiblein mit der Kunkel.
Es spinnt und spinnt. Was spinnt es wohl?
Es spinnt und spintisieret...
Es trägt ein weißes Kamisol,
das seinen Körper zieret.
Um stllle Stübel schleicht des Monds
barbarisches Gefunkel -
im Gäßchen hoch im Norden wohnt’s,
Das Weiblein mit der Kunkel.
 


Der Mond
Christian Morgenstern

Als Gott den lieben Mond erschuf,
gab er ihm folgenden Beruf:
Beim Zu- sowohl wie beim Abnehmen
sich deutschen Lesern zu bequemen,
ein a formierend und ein z –
daß keiner groß zu denken hätt’.
Befolgend dies ward der Trabant
ein völlig deutscher Gegenstand.
 


Peregrina
Eduard Mörike (Aus: Maler Nolten)

I
Der Spiegel dieser treuen, braunen Augen
Ist wie von innerm Gold ein Widerschein;
Tief aus dem Busen scheint ers anzusaugen,
Dort mag solch Gold in heilgem Gram gedeihn.

In diese Nacht des Blickes mich zu tauchen,
Unwissend Kind, du selber lädst mich ein -
Willst, ich soll kecklich mich und dich entzünden,
Reichst lächelnd mir den Tod im Kelch der Sünden!

II
Aufgeschmückt ist der Freudensaal.
Lichterhell, bunt, in laulicher Sommernacht
Stehet das offene Gartengezelte.
Säulengleich steigen, gepaart,
Grün-umranket, eherne Schlangen,
Zwölf, mit verschlungenen Hälsen,
Tragend und stützend das
Leicht gegitterte Dach.

Aber die Braut noch wartet verborgen
In dem Kämmerlein ihres Hauses.
Endlich bewegt sich der Zug der Hochzeit,
Fackeln tragend,
Feierlich stumm.
Und in der Mitte,
Mich an der rechten Hand,
Schwarz gekleidet, geht einfach die Braut;
Schön gefaltet ein Scharlachtuch
Liegt um den zierlichen Kopf geschlagen.
Lächelnd geht sie dahin; das Mahl schon duftet.

Später im Lärmen des Fests
Stahlen wir seitwärts uns beide
Weg, nach den Schatten des Gartens wandelnd,
Wo im Gebüsche die Rosen brannten,
Wo der Mondstrahl um Lilien zuckte,
Wo die Weymouthsfichte mit schwarzem Haar
Den Spiegel des Teiches halb verhängt.
Auf seidnem Rasen dort, ach, Herz am Herzen,
Wie verschlangen, erstickten meine Küsse den scheueren
Kuss!

Indes der Springquell, unteilnehmend
An überschwänglicher Liebe Geflüster,
Sich ewig des eigenen Plätscherns freute;
Uns aber neckten von fern und lockten
Freundliche Stimmen,
Flöten und Saiten umsonst.

Ermüdet lag, zu bald für mein Verlangen,
Das leichte, liebe Haupt auf meinem Schoss.
Spielender Weise mein Aug auf ihres druckend
Fühlt ich ein Weilchen die langen Wimpern,
Bis der Schlaf sie stellte,
Wie Schmetterlingsgefieder auf und nieder gehn.

Eh das Frührot schien,
Eh das Lämpchen erlosch im Brautgemache,
Weckt ich die Schläferin,
Führte das seltsame Kind in mein Haus ein.

III
Ein Irrsal kam in die Mondscheingärten
Einer einst heiligen Liebe.
Schaudernd entdeckt ich verjährten Betrug.
Und mit weinendem Blick, doch grausam,
Hiess ich das schlanke,
Zauberhafte Mädchen
Ferne gehen von mir.
Ach, ihre hohe Stirn,
War gesenkt, denn sie liebte mich;
Aber sie zog mit Schweigen
Fort in die graue
Welt hinaus.

Krank seitdem,
Wund ist und wehe mein Herz.
Nimmer wird es genesen!

Als ginge, luftgesponnen, ein Zauberfaden
Von ihr zu mir, ein ängstig Band,
So zieht es, zieht mich schmachtend ihr nach!
- Wie? wenn ich eines Tags auf meiner Schwelle
Sie sitzen fände, wie einst, im Morgen-Zwielicht,
Das Wanderbündel neben ihr,
Und ihr Auge, treuherzig zu mir aufschauend,
Sagte, da bin ich wieder
Hergekommen aus weiter Welt!

IV
Warum, Geliebte, denk ich dein
Auf einmal nun mit tausend Tränen,
Und kann gar nicht zufrieden sein,
Und will die Brust in alle Weite dehnen?

Ach, gestern in den hellen Kindersaal,
Beim Flimmer zierlich aufgesteckter Kerzen,
Wo ich mein selbst vergass in Lärm und Scherzen,
Tratst du, o Bildnis mitleid-schöner Qual;
Es war dein Geist, er setzte sich ans Mahl,
Fremd sassen wir mit stumm verhaltnen Schmerzen;
Zuletzt brach ich in lautes Schluchzen aus,
Und Hand in Hand verliessen wir das Haus.

V
Die Liebe, sagt man, steht am Pfahl gebunden,
Geht endlich arm, zerrüttet, unbeschuht;
Dies edle Haupt hat nicht mehr, wo es ruht,
Mit Tränen netzet sie der Füsse Wunden.

Ach, Peregrinen hab ich so gefunden!
Schön war ihr Wahnsinn, ihrer Wange Glut,
Noch scherzend in der Frühlingsstürme Wut,
Und wilde Kränze in das Haar gewunden.

Wars möglich, solche Schönheit zu verlassen?
- So kehrt nur reizender das alte Glück!
O komm, in diese Arme dich zu fassen!

Doch weh! o weh! was soll mir dieser Blick?
Sie küsst mich zwischen Lieben noch und Hassen,
Sie kehrt sich ab, und kehrt mir nie zurück.

Schiffer- und Nixen-Märchen
I. Vom Sieben-Nixen-Chor
Eduard Mörike

Manche Nacht im Mondenscheine
Sitzt ein Mann von ernster Schöne,
Sitzt der Magier Drakone,
Auf dem Gartenhausbalkone,
Mit Prinzessin Liligi;
Lehrt sie allda seine Lehre
Von der Erde, von dem Himmel,
Von dem Traum der Elemente,
Vom Geschick im Sternenkreise.

Lass es aber nun genug sein!
Mitternacht ist lang vorüber -
Spricht Prinzessin Liligi -
Und nach solchen Wunderdingen,
Mächtigen und ungewohnten,
Lüstet mich nach Kindermärchen,
Lieber Mann, ich weiss nicht wie! -

„Hörst du gern das Lied vom Winde,
Das nicht End noch Anfang hat,
Oder gern vom Königskinde,
Gerne von der Muschelstadt?“

Singe du so heut wie gestern
Von des Meeres Lustrevier,
Von dem Haus der sieben Schwestern
Und vom Königssohne mir.

„Zwischen grünen Wasserwänden
Sitzt der Sieben-Nixen-Chor;
Wasserrosen in den Händen,
Lauschen sie zum Licht empor.

Und wenn oftmals auf der Höhe
Schiffe fahren, schattengleich,
Steigt ein siebenfaches Wehe
Aus dem stillen Wasserreich.

Dann, zum Spiel kristallner Glocken,
Drehn die Schwestern sich im Tanz,
Schütteln ihre grünen Locken
Und verlieren Gurt und Kranz.

Und das Meer beginnt zu schwanken,
Well auf Welle steigt und springt,
Alle Elemente zanken
Um das Schiff, bis es versinkt.“

Also sang in Zaubertönen
Süss der Magier Drakone
Zu der lieblichen Prinzessin;
Und zuweilen, im Gesange,
Neiget er der Lippen Milde
Zu dem feuchten Rosenmunde,
Zu den hyazintheblaun,
Schon in Schlaf gesenkten Augen
Der betörten Jungfrau hin.
Diese meint im leichten Schlummer,
Immer höre sie die Lehre
Von der Erde, von dem Himmel,
Vom Geschick im Sternenkreise,
Doch zuletzt erwachet sie:

Lass es aber nun genug sein!
Mitternacht ist lang vorüber,
Und nach solchen Wunderdingen,
Mächtigen und ungewohnten,
Lüstet mich nach Kindermärchen,
Lieber Mann, ich weiss nicht wie!

„Wohl! – Schon auf des Meeres Grunde
Sitzt das Schiff mit Mann und Maus,
Und die Sieben in die Runde
Rufen: Schönster, tritt heraus!

Rufen freundlich mit Verneigen:
Komm! es soll dich nicht gereun;
Woll’n dir unsre Kammer zeigen,
Wollen deine Mägde sein.

Sieh, da tritt vom goldnen Borde
Der betörte Königssohn,
Und zu der korallnen Pforte
Rennen sie mit ihm davon.

Doch man sah nach wenig Stunden,
Wie der Nixenbräutigam,
Tot, mit sieben roten Wunden,
Hoch am Strand des Meeres schwamm.“

Also sang in Zaubertönen
Süss der Magier Drakone;
Und zuweilen, im Gesange,
Neiget er der Lippen Milde
Zu dem feuchten Rosenmunde,
Zu den hyazintheblauen,
Schon in Schlaf gesenkten Augen
Der betörten Jungfrau hin.

Sie erwacht zum andernmale,
Sie verlanget immer wieder:
Lieber Mann, ein Kindermärchen
Singe mir zu guter Letzt!

Und er singt das letzte Märchen,
Und er küsst die letzten Küsse;
Lied und Kuss hat ausgeklungen,
Aber sie erwacht nicht mehr.
Denn schon war die dritte Woche,
Seit der Magier Drakone
Bei dem edeln Königskinde
Seinen falschen Dienst genommen;
Wohlberechnet, wohlbereitet
Kam der letzte Tag heran.

Jetzo fasset er die Leiche,
Schwingt sich hoch im Zaubermantel
Durch die Lüfte zu dem Meere,
Rauschet nieder in die Wogen,
Klopft an dem Korallentor,
Führet so die junge Fürstin,
Dass auch sie zur Nixe werde,
Als willkommene Genossin
In den Sieben-Nixen-Chor.
 

II. Nixe Binsefuss

Des Wassermanns sein Töchterlein
Tanzt auf dem Eis im Vollmondschein,
Sie singt und lachet sonder Scheu
Wohl an des Fischers Haus vorbei.

„Ich bin die Jungfer Binsefuss,
Und meine Fisch wohl hüten muss,
Meine Fisch die sind im Kasten,
Sie haben kalte Fasten;
Von Böhmerglas mein Kasten ist,
Da zähl ich sie zu jeder Frist.

Gelt, Fischermatz? gelt, alter Tropf,
Dir will der Winter nicht in Kopf?
Komm mir mit deinen Netzen!
Die will ich schön zerfetzen!
Dein Mägdlein zwar ist fromm und gut,
Ihr Schatz ein braves Jägerblut.

Drum häng ich ihr, zum Hochzeitstrauss,
Ein schilfen Kränzlein vor das Haus,
Und einen Hecht, von Silber schwer,
Er stammt von König Artus her,
Ein Zwergen-Goldschmieds-Meisterstück,
Wers hat, dem bringt es eitel Glück:
Er lässt sich schuppen Jahr für Jahr,
Da sinds fünfhundert Gröschlein bar.

Ade, mein Kind! Ade für heut!
Der Morgenhahn im Dorfe schreit.“
 

III. Zwei Liebchen

Ein Schifflein auf der Donau schwamm,
Drin sassen Braut und Bräutigam, Er hüben und sie
drüben.

Sie sprach, Herzliebster, sage mir,
Zum Angebind was geb ich dir?

Sie streift zurück ihr Ärmelein,
Sie greift ins Wasser frisch hinein.

Der Knabe, der tät gleich also,
Und scherzt mit ihr und lacht so froh.

Ach, schöne Frau Done, geb sie mir
Für meinen Schatz eine hübsche Zier!

Sie zog heraus ein schönes Schwert,
Der Knab hätt lang so eins begehrt.

Der Knab, was hält er in der Hand?
Milchweiss ein köstlich Perlenband.

Er legts ihr um ihr schwarzes Haar,
Sie sah wie eine Fürstin gar.

Ach, schöne Frau Done, geh sie mir
Für meinen Schatz eine hübsche Zier!

Sie langt hinein zum andernmal,
Fasst einen Helm von lichtem Stahl.

Der Knab vor Freud entsetzt sich schier,
Fischt ihr einen goldnen Kamm dafür.

Zum dritten sie ins Wasser griff:
Ach weh! da fällt sie aus dem Schiff.

Er springt ihr nach, erfasst sie keck,
Frau Done reisst sie beide weg:

Frau Done hat ihr Schmuck gereut,
Das büsst der Jüngling und die Maid.

Das Schifflein leer hinunterwallt;
Die Sonne sinkt hinter die Berge bald.

Und als der Mond am Himmel stand,
Die Liebchen schwimmen tot ans Land,
Er hüben und sie drüben.
 

IV. Der Zauberleuchtturm

Des Zauberers sein Mägdlein sass
In ihrem Saale rund von Glas;
Sie spann beim hellen Kerzenschein,
Und sang so glockenhell darein.

Der Saal, als eine Kugel klar,
In Lüften aufgehangen war
An einem Turm auf Felsenhöh,
Bei Nacht hoch ob der wilden See,
Und hing in Sturm und Wettergraus
An einem langen Arm hinaus.

Wenn nun ein Schiff in Nächten schwer
Sah weder Rat noch Rettung mehr,
Der Lotse zog die Achsel schief,
Der Hauptmann alle Teufel rief,
Auch der Matrose wollt verzagen:
O weh mir armen Schwartenmagen!
Auf einmal scheint ein Licht von fern
Als wie ein heller Morgenstern;
Die Mannschaft jauchzet überlaut:
Heida! jetzt gilt es trockne Haut!
Aus allen Kräften steuert man
Jetzt nach dem teuren Licht hinan,
Das wächst und wächst und leuchtet fast
Wie einer Zaubersonne Glast,
Darin ein Mägdlein sitzt und spinnt,
Sich beuget ihr Gesang im Wind;
Die Männer stehen wie verzückt,
Ein jeder nach dem Wunder blickt
Und horcht und staunet unverwandt,
Dem Steuermann entsinkt die Hand,
Hat keiner Acht mehr auf das Schiff;
Das kracht mit eins am Felsenriff,
Die Luft zerreisst ein Jammerschrei:
Herr Gott im Himmel, steh uns bei!
Da löscht die Zauberin ihr Licht;
Noch einmal aus der Tiefe bricht
Verhallend Weh aus einem Mund;
Da zuckt das Schiff und sinkt zu Grund.


Das nächtliche Geheimnis
Friedrich Nietzsche

Gestern Nachts, als Alles schlief,
Kaum der Wind mit ungewissen
Seufzern durch die Gassen lief,
Gab mir Ruhe nicht das Kissen,
Noch der Mohn, noch, was sonst tief
Schlafen macht – ein gut Gewissen.

Endlich schlug ich mir den Schlaf
Aus dem Sinn und lief zum Strande.
Mondhell war’s und mild – ich traf
Mann und Kahn auf warmem Sande,
Schläfrig beide, Hirt und Schaf: -
Schläfrig stieß der Kahn vom Lande.

Eine Stunde, leicht auch zwei,
Oder war’s ein Jahr? – da sanken
Plötzlich mir Sinn und Gedanken
In ein ew’ges Einerlei,
Und ein Abgrund ohne Schranken
Tat sich auf: – da war’s vorbei! -

Morgen kam: auf schwarzen Tiefen
Steht ein Kahn und ruht und ruht – –
Was geschah? so riefs, so riefen
Hundert bald – was gab es? Blut? –
Nichts geschah! Wir schliefen, schliefen
Alle – ach, so gut! so gut!


Nachtgesang
Martin Opitz

1. Jetzund kömmt die Nacht herbei,
Vieh und Menschen werden frei,
Die gewünschte Ruh geht an;
Meine Sorge kommt heran.

2. Schöne glänzt der Mondenschein;
Und die gülden Sternelein;
Froh ist alles weit und breit,
Ich nur bin in Traurigkeit.

3. Zweene mangeln überall
An der schönen Sternen Zahl;
Diese Sterne die ich mein’
Ist der Liebsten Augenschein.

4. Nach dem Monden frag’ ich nicht,
Dunkel ist der Sternen Licht;
Weil sich von mir weggewendt
Asteris mein Firmament.

5. Wann sich aber neigt zu mir
Dieser meiner Sonnen Zier,
Acht’ ich es das beste sein,
Daß kein Stern noch Monde schein’.
 


Helle Nacht
Owlglass

Der Mond kommt über die Berge ...
wo schwimmst du her, wo legst du an,
uralter stummer Ferge?
Wann ist dein Weg getan?

Hier unten in den Tiefen,
wie fliesst zusammen Fern und Nah,
und Rätsel, die schon schliefen,
sind wieder wach und da.

Die schwarzen Wälder bangen
hinab ins nebelweisse Land ...
sind wir im Kreis gegangen
um eines Grabes Rand?

Ein Brunnen plätschert leise
und traumverworren Reim auf Reim.
Verstünden wir die Weise,
wir fänden heut noch heim.


Über stiller Heide
Wilhelm Raabe

Wenn über stiller Heide
Des Mondes Sichel schwebt,
Mag lösens ich vom Leide
Herz, das im Leiden bebt.

Tritt vor aus deiner Kammer
Und trage deinen Schmerz,
Trage des Weltlaufs Jammer
Der Ewigkeit ans Herz.

Das Ewige ist stille,
Laut die Vergänglichkeit;
Schweigend geht Gottes Wille
Über den Erdenstreit.

In deinen Schmerzen schweige,
Tritt in die stille Nacht;
Das Haupt in Demut neige,
Bald ist der Kampf vollbracht.
 


Wer hat die schönsten Schäfchen?
Johann Friedrich Reichardt

1. Wer hat die schönsten Schäfchen?
Die hat der gold’ne Mond,
Der hinter jenen Bäumen
Am Himmel droben wohnt.

2. Er kommt am späten Abend,
Wenn alles schlafen will,
Hervor aus seinem Hause
Zum Himmel leis’ und still.

3. Dann weidet er die Schäfchen
Auf seiner blauen Flur,
Denn all’ die weißen Sterne
Sind seine Schäfchen nur.

4. Sie tun uns nichts zu Leide
Hat eins das and’re gern,
Und Schwestern sind und Brüder
Da droben Stern an Stern.

5. Und soll ich dir ein’s bringen,
So darfst du niemals schrei’n,
Mußt freundlich wie die Schäfchen
Und wie ihr Schäfer sein.
 


Du bist mein Mond
Friedrich Rückert

Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;
Du sagst, du drehest dich um mich.
Ich weiss es nicht, ich weiss nur, dass ich werde
In meinen Nächten hell durch dich.

Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;
Sie sagen, du veränderst dich.
Allein du änderst nur die Lichtgebärde
Und liebst mich unveränderlich.

Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;
Nur mein Erdenschatten hindert dich,
Die Liebesfackel stets am Sonnenherde
Zu zünden in der Nacht für mich.
 


Kosmischer Trost
Paul Scheerbart (1904)

Der Mondball starrt den Erdball an.
Und auf der Haut der Erde spiegelt sich der Wille des
Mondes.
Darum suchen wir nur Einen – immer nur Einen.
Und wir finden auch nicht mehr.
Ein wenig scheint es uns oft,
Auf dem Saturn lebt sichs wohl besser; der hat ja mehr
Monde – hat ja neun.
Dort kann sich jeder freun mit Neun.
Ei, das muß ja köstlich wirken – immer sich zu freun –
gleich mit neun.
Doch der große Mond der Erde zeigt eine stolze
Weltgeberde und ruft uns zu:
„Ihr könnt Euch ebenso freun; ein Mond kann ja ebenso
groß sein wie neun.“
Das ist doch ein kosmischer Trost.
Ein Mond kam so groß sein wie neun.
(1904)

Dunkle Nacht in Europa
Paul Scheerbart (1904)

Das ist doch sehr wunderbar,
daß die Nacht so dunkel ist.
Alle Sterne schliefen ein -
Auch der schöne Mondenschein.
Und ich finde nicht nach Haus,
Tappe, taste so mich weiter,
Stolpre, falle, liege, denke -
Doch die Nacht bleibt dunkel -
All das viele Glanzgefunkel
Ist total verschwunden.
Das ist doch sehr wunderbar,
Daß die Nacht so dunkel ist.
Warum ist sie dunkel?
O du Rätsel der Nacht.
 


Wie der Mond kam es gegangen
Heinrich Seidel

Nimmer weiss ich, wie’s gekommen,
War es doch, als müsst’ es sein,
Dass mein Herz du hingenommen –
Gar so heimlich schlich es ein.
So wie Blumen still erblühen,
Wie im Lenz ergrünt die Au,
Wie nach heissen Tages Glühen
Hold und labend sinkt der Thau.
Nicht bestürmt mich wild Verlangen
Gluthenvoller Sehnsuchtsmacht! –
Wie der Mond kam es gegangen
In der stillen Sommernacht.
 


Der Vertraute
Heinrich Seidel

Aller sehr verliebten Seelen
Sitte ist’s, den Mond zu fragen.
Wenn sie sich in Sehnsucht quälen,
Soll vom fernen Lieb er sagen.

Neulich fragt ich ihn: „ Du gutes,
Silberhelles Aug’ der Nächte,
Sieh ich bin verlegnen Muthes,
Ob mein Lieb auch mein gedächte.

Sonst auf ihrem Kammerfenster
Sah ich oft dein mild Gefunkel,
Wenn, zur Stunde der Gespenster
Ich dort unten stand im Dunkel.

Meine ganze Liebe hast du
Damals, Mond, erschauen müssen;
Auch in jener Laube sahst du
All die rothen Küsse küssen.

Ach, du kennst ja die Geschichte.
Sprich nun, ist sie treu gewesen?
Lass aus deinem Angesichte
Freundlich mich die Antwort lesen.“

Doch der runde Mond – bedächtig
Schaute er auf mich hernieder!
Und mir war, als wenn verdächtig
Zwinkten seine Augenlieder.
 


Die Elfe
Heinrich Seidel

Nächtlich bei des Mondes Schimmer,
Wenn der Wind schläft in den Wipfeln,
Tanzt die wunderschöne Elfe
Auf dem stillen, schilfumgebnen
Wasserrosenteich im Walde.

Nimmer dringt in diese Gründe
Nur ein Hauch des Menschendaseins!
Selbst der Glocke weithinhallend
Klanggetöne stirbt versummend
In dem weiten Meer der Wipfel.

Und es steht der Wald im Lauschen
Auf das eigne Schweigen lautlos.
Und die wunderschöne Elfe
Wiegt sich über stillem Wasser
Wie ein schimmernd Duftgebilde,
Dass das leuchtend helle Goldhaar
Um die weissen Glieder wallet.
Breitend ihre schönen Arme
Schwebt sie ob dem dunklen Grunde,
Wie ein lieblicher Gedanke
Mondbeglänzter Einsamkeit.
 


Das Posthorn
Heinrich Seidel

Horchend über schroffe Mauern
Auf die Nachtigallenlieder
Schaun zwei jugendliche Nonnen
In das Thal voll Sehnsucht nieder.

Wundervolle Frühlingsmondnacht!
Klang und Sang in lauen Lüften,
Luft’gen Silbers volle Schale,
Schwimmt das Thal in Glanz und Düften.

Horch, da rollt’s im Grund; es klinget
Eines Posthorns muntres Tönen,
Und die Jüngste hüllt ihr Antlitz,
Und sie wendet sich mit Thränen. –

Doch die Klosterglocke schrillend
Uebertönt das Horn, das helle –
Und die Nonnen wandeln schweigend
Zum Gebet in ihre Zelle. –
 


Gesang in der Mondnacht
Heinrich Seidel

Die Rosen blühen im Mondenschein
In der silbernen Juninacht,
Da alles schläft – mein Herz allein,
Mein Herz nur pocht und wacht
Die Rosen blühen ohne Zahl
Beisammen froh gesellt,
Die Quellen rieseln und rauschen zu Thal
Selbander in die Welt.
Ich weiss eine Blume, die blüht allein
In der stillen Mondennacht,
Wenn alles schläft – mein Herz allein,
Mein Herz nur pocht und wacht.
 


Laternenlied
Heinrich Seidel

Abends, wenn es dunkel wird,
Und die Fledermaus schon schwirrt,
Gehn wir mit Laternen aus
In den Garten hinter’m Haus,
Und im Auf- und Niederwallen
Lassen wir das Lied erschallen:
Laterne, Laterne,
Sonne, Mond und Sterne.

Wie so lieblich aus dem Grün
Fern und nah die Lichter glühn,
Schimmern auf den hellen Steig,
Spiegeln sich im schwarzen Teich;
Rosig aus dem Dunkel leuchtet
Manche Blume thaubefeuchtet.
Laterne, Laterne,
Sonne, Mond und Sterne!

Plötzlich aus dem Wolkenthor
Kommt der gute Mond hervor,
Wandelt seine Himmelsbahn
Als ein Hauptlaternenmann,
Leuchtet bei dem Sterngefunkel
Lieblich aus dem blauen Dunkel.
Laterne, Laterne,
Sonne, Mond und Sterne!

Ei nun gehen wir nach Haus,
Blasen die Laternen aus,
Lassen Mond und Sternelein
Leuchten in der Nacht allein,
Bis die Sonne wird erwachen,
Alle Lampen auszumachen.
Laterne, Laterne,
Sonne, Mond und Sterne!
 


Die stille Stadt
Heinrich Seidel

Liegt eine Stadt im Tale,
ein blasser Tag vergeht;
es wird nicht lange dauern mehr,
bis weder Mond noch Sterne,
nur Nacht am Himmel steht.

Von allen Bergen drücken
Nebel auf die Stadt;
es dringt kein Dach, nicht Hof noch Haus,
kein Laut aus ihrem Rauch heraus,
kaum Türme noch und Brücken.

Doch als den Wandrer graute,
da ging ein Lichtlein auf im Grund,
und durch den Rauch und Nebel
begann ein leiser Lobgesang
aus Kindermund.
 


Tiefe Schatten
Theodor Storm

So komme, was da kommen mag!
Solang du lebest, ist es Tag.
Und geht es in die Welt hinaus,
Wo du mir bist, bin ich zu Haus.
Ich seh dein liebes Angesicht,
Ich sehe die Schatten der Zukunft nicht.

1
In der Gruft bei den alten Särgen
Steht nun ein neuer Sarg,
Darin vor meiner Liebe
Sich das süßeste Antlitz barg.
Den schwarzen Deckel der Truhe
Verhängen die Kränze ganz;
Ein Kranz von Myrtenreisern,
Ein weißer Syringenkranz.
Was noch vor wenig Tagen
Im Wald die Sonne beschien,
Das duftet nun hier unten:
Maililien und Buchengrün.
Geschlossen sind die Steine,
Nur oben ein Gitterlein;
Es liegt die geliebte Tote
Verlassen und allein.
Vielleicht im Mondenlichte,
Wenn die Welt zur Ruhe ging,
Summt noch um die weißen Blüten
Ein dunkler Schmetterling.

2
Mitunter weicht von meiner Brust,
Was sie bedrückt seit deinem Sterben;
Es drängt mich, wie in Jugendlust,
Noch einmal um das Glück zu werben.
Doch frag ich dann: Was ist das Glück?
So kann ich keine Antwort geben
Als die, daß du mir kämst zurück,
Um so wie einst mit mir zu leben.
Dann seh ich jenen Morgenschein,
Da wir dich hin zur Gruft getragen;
Und lautlos schlafen die Wünsche ein,
Und nicht mehr will ich das Glück erjagen.

3
Gleich jenem Luftgespenst der Wüste
Gaukelt vor mir
Der Unsterblichkeitsgedanke;
Und in den bleichen Nebel der Ferne
Täuscht er dein Bild.
Markverzehrender Hauch der Sehnsucht,
Betäubende Hoffnung befällt mich;
Aber ich raffe mich auf,
Dir nach, dir nach;
Jeder Tag, jeder Schritt ist zu dir.
Doch, unerbittliches Licht dringt ein;
Und vor mir dehnt es sich,
Öde, voll Entsetzen der Einsamkeit;
Dort in der Ferne ahn ich den Abgrund;
Darin das Nichts. -
Aber weiter und weiter
Schlepp ich mich fort;
Von Tag zu Tag,
Von Mond zu Mond,
Von Jahr zu Jahr;
Bis daß ich endlich,
Erschöpft an Leben und Hoffnung,
Werd hinstürzen am Weg
Und die alte ewige Nacht
Mich begräbt barmherzig,
Samt allen Träumen der Sehnsucht.

4
Weil ich ein Sänger bin, so frag ich nicht,
Warum die Welt so still nun meinem Ohr;
Die eine, die geliebte Stimme fehlt,
Für die nur alles andre war der Chor.

5
Und am Ende der Qual alles Strebens
Ruhig erwart ich, was sie beschert,
Jene dunkelste Stunde des Lebens;
Denn die Vernichtung ist auch was wert.

6
Der Geier Schmerz flog nun davon,
Die Stätte, wo er saß, ist leer;
Nur unten tief in meiner Brust
Regt sich noch etwas, dumpf und schwer.
Das ist die Sehnsucht, die mit Qual
Um deine holde Nähe wirbt,
Doch, eh sie noch das Herz erreicht,
Mutlos die Flügel senkt und stirbt.
 


Sturmnacht
Theodor Storm

Im Hinterhaus, im Fliesensaal
Über Urgroßmutters Tisch’ und Bänke,
Über die alten Schatullen und Schränke
Wandelt der zitternde Mondenstrahl.
Vom Wald kommt der Wind
Und fährt an die Scheiben;
Und geschwind, geschwind
Schwatzt er ein Wort,
Und dann wieder fort
Zum Wald über Föhren und Eiben.

Da wird auch das alte verzauberte Holz
Da drinnen lebendig;
Wie sonst im Walde will es stolz
Die Kronen schütteln unbändig,
Mit den Ästen greifen hinaus in die Nacht,
Mit dem Sturm sich schaukeln in brausender Jagd,
Mit den Blättern in Übermut rauschen,
Beim Tanz im Flug
Durch Wolkenzug
Mit dem Mondlicht silberne Blicke tauschen.

Da müht sich der Lehnstuhl, die Arme zu recken,
Den Rokokofuß will das Kanapee strecken,
In der Kommode die Schubfächer drängen
Und wollen die rostigen Schlösser sprengen;
Der Eichschrank unter dem kleinen Troß
Steht da, ein finsterer Koloß.
Traumhaft regt er die Klauen an,
Ihm zuckt’s in der verlornen Krone;
Doch bricht er nicht den schweren Bann. -

Und draußen pfeift ihm der Wind zum Hohne
Und fährt an die Läden und rüttelt mit Macht,
Bläst durch die Ritzen, grunzt und lacht,
Schmeißt die Fledermäuse, die kleinen Gespenster,
Klitschend gegen die rasselnden Fenster.
Die glupen dumm neugierig hinein -
Da drinn’ steht voll der Mondenschein.

Aber droben im Haus
Im behaglichen Zimmer
Beim Sturmgebraus
Saßen und schwatzten die Alten noch immer,
Nicht hörend, wie drunten die Saaltür sprang,
Wie ein Klang war erwacht
Aus der einsamen Nacht,
Der schollernd drang
Über Trepp’ und Gang,
Daß drin in der Kammer die Kinder mit Schrecken
Auffuhren und schlüpften unter die Decken.
 


Ständchen
Theodor Storm

Weiße Mondesnebel schwimmen
Auf den feuchten Wiesenplanen;
Hörst du die Gitarre stimmen
In dem Schatten der Platanen?

Dreizehn Lieder sollst du hören,
Dreizehn Lieder, frisch gedichtet;
Alle sind, ich kann’s beschwören,
Alle nur an dich gerichtet.

An dem zarten schlanken Leibchen
Bis zur Stirne auf und nieder,
Jedes Fünkchen, jedes Stäubchen,
Alles preisen meine Lieder.

Wahrlich, Kind, ich hab zuzeiten
Übermütige Gedanken!
Unermüdlich sind die Saiten,
Und der Mund ist ohne Schranken.

Vom geheimsten Druck der Hände
Bis zum nimmersatten Küssen!
Ja, ich selber weiß am Ende
Nicht, was du wirst hören müssen.

Laß dich warnen, laß mich schweigen,
Laß mich Lied um Liebe tauschen;
Denn die Blätter an den Zweigen
Wachen auf und wollen lauschen.

Weiße Mondesnebel schwimmen
Auf den feuchten Wiesenplanen;
Hörst du die Gitarre stimmen
In dem Schatten der Platanen?
 


Regine
Theodor Storm

Und webte auch auf jenen Matten
Noch jene Mondesmärchenpracht,
Und stünd sie noch im Waldesschatten
Inmitten jener Sommernacht;
Und fänd ich selber wie im Träume
Den Weg zurück durch Moor und Feld,
Sie schritte doch vom Waldessaume
Niemals hinunter in die Welt.
 


Mondlicht
Theodor Storm

Wie liegt im Mondenlichte
Begraben nun die Welt;
Wie selig ist der Friede,
Der sie umfangen hält!

Die Winde müssen schweigen,
So sanft ist dieser Schein;
Sie säuseln nur und weben
Und schlafen endlich ein.

Und was in Tagesgluten
Zur Blüte nicht erwacht,
Es öffnet seine Kelche
Und duftet in die Nacht.

Wie bin ich solchen Friedens
Seit lange nicht gewohnt!
Sei du in meinem Leben
Der liebevolle Mond!
 



 

In Bulemanns Haus
Theodor Storm

Es klippt auf den Gassen im Mondenschein;
Das ist die zierliche Kleine,
Die geht auf ihren Pantöffelein
Behend und mutterseelenallein
Durch die Gassen im Mondenscheine.

Sie geht in ein alt verfallenes Haus;
Im Flur ist die Tafel gedecket,
Da tanzt vor dem Monde die Maus mit der Maus,
Da setzt sich das Kind mit den Mäusen zu Schmaus,
Die Tellerlein werden gelecket.

Und leer sind die Schüsseln; die Mäuslein im Nu
Verrascheln in Mauer und Holze;
Nun läßt es dem Mägdlein auch länger nicht Ruh,
Sie schüttelt ihr Kleidchen, sie schnürt sich die Schuh,
Dann tritt sie einher mit Stolze.

Es leuchtet ein Spiegel aus goldnem Gestell,
Da schaut sie hinein mit Lachen;
Gleich schaut auch heraus ein Mägdelein hell,
Das ist ihr einziger Spielgesell;
Nun wolln sie sich lustig machen.

Sie nickt voll Huld, ihr gehört ja das Reich;
Da neigt sich das Spiegelkindlein,
Da neigt sich das Kind vor dem Spiegel zugleich,
Da neigen sich beide gar anmutreich,
Da lächeln die rosigen Mündlein.

Und wie sie lächeln, so hebt sich der Fuß,
Es rauschen die seidenen Röcklein,
Die Händchen werfen sich Kuß um Kuß,
Das Kind mit dem Kinde nun tanzen muß,
Es tanzen im Nacken die Löcklein.

Der Mond scheint voller und voller herein,
Auf dem Estrich gaukeln die Flimmer:
Im Takte schweben die Mägdelein,
Bald tauchen sie tief in die Schatten hinein,
Bald stehn sie in bläulichem Schimmer.

Nun sinken die Glieder, nun halten sie an
Und atmen aus Herzensgrunde;
Sie nahen sich schüchtern und beugen sich dann
Und knien voreinander und rühren sich an
Mit dem zarten unschuldigen Munde.

Doch müde werden die beiden allein
Von all der heimlichen Wonne;
Sehnsüchtig flüstert das Mägdelein:
»Ich mag nicht mehr tanzen im Mondenschein,
Ach, käme doch endlich die Sonne!«

Sie klettert hinunter ein Trepplein schief
Und schleicht hinab in den Garten.
Die Sonne schlief, und die Grille schlief.
»Hier will ich sitzen im Grase tief,
Und der Sonne will ich warten.«

Doch als nun morgens um Busch und Gestein
Verhuschet das Dämmergemunkel,
Da werden dem Kinde die Äugelein klein;
Sie tanzte zu lange bei Mondenschein,
Nun schläft sie bei Sonnengefunkel.

Nun liegt sie zwischen den Blumen dicht
Auf grünem, blitzendem Rasen;
Und es schauen ihr in das süße Gesicht
Die Nachtigall und das Sonnenlicht
Und die kleinen neugierigen Hasen.
 



 

Abends
Theodor Storm

Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond;
Halb träumend schwankt im Silberschein die Rose.
Der Abendfalter schwingt sich sacht heran,
Im Flug zu ruhn an ihrem zarten Moose.

Nun schwirrt er auf – doch sieh! er muß zurück;
Die Rose zwingt ihn mit gefeitem Zügel.
An ihrem Kelche hängt der Schmetterling,
Vergessend sich und seine bunten Flügel. --

Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond;
Halb träumend wiegst du dich in meinen Armen.
O gönne mir der Lippen feuchte Glut,
Erschließ den Rosenkelch, den liebewarmen!

Du bist die Blume, die mich einzig reizt!
Dein heller Blick ist ein gefeiter Zügel!
An deinen Lippen hängt der Schmetterling,
Sich selbst vergessend und die bunten Flügel.
 


Im Winter
Georg Trakl

Der Acker leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten
Und langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am Rain
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.
 



 

Dunkel war’s, der Mond schien helle
Unbekannter Dichter

Dunkel war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzeschnelle
langsam um die Ecke fuhr.

Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend im Gespräch vertieft,
als ein totgeschoßner Hase,
auf dem Sandberg Schlittschuh lief.

Und auf einer roten Banke,
Die blau angestrichen war,
Saß ein blondgelockter Jüngling
Mit kohlrabenschwarzem Haar.

Neben ihm ‘ne alte Schachtel,
Zählte kaum erst sechzehn Jahr.
Und sie aß ‘ne Butterstulle,
Das mit Schmalz bestrichen war.

Droben auf dem Apfelbaume,
Der sehr süße Birnen trug,
Hing des Frühlings letzte Pflaume
Und an Nüssen noch genug.
 



 

Verkehrte Welt
Unbekannter Dichter

Dunkel war’s der Mond schien helle, *
Schneebedeckt die grüne Flur, **
Als ein Wagen blitzesschnelle
|: Langsam um die Ecke fuhr, :|*
Drinnen saßen stehend Leute,
Schweigend ins Gespräch vertieft,
Als ein totgeschoss’ner Hase
|: Auf der Wiese Schlittschuh lief, :|

Und der Wagen fuhr im Trabe
Rückwärts einen Berg hinauf.
Droben zog ein alter Rabe
|: Grade eine Turmuhr auf. :|

Ringsumher herrscht tiefes Schweigen
Und mit fürchterlichem Krach
Spielen in des Grases Zweigen
|: Zwei Kamele lautlos Schach. :|

Und auf einer roten Banke,
Die blau angestrichen war,
Saß ein blondgelockter Jüngling
|: Mit kohlrabenschwarzem Haar, :|

Neben ihm ‘ne alte Schachtel,
Zählte kaum erst sechzehn Jahr’,
Und sie aß ein Butterbrot,
|: Das mit Schmalz bestrichen war, :|

Droben auf dem Apfelbaume,
Der sehr süßte Birnen trug,
Hing des Frühlings letzte Pflaume
|: Und an Nüssen noch genug. :|

Von der regennassen Straße
Wirbelte der Staub empor.
Und ein Junge bei der Hitze
|: Mächtig an den Ohren fror. :|

Beide Hände in den Taschen
Hielt er sich die Augen zu.
Denn er konnte nicht ertragen,
|: Wie nach Veilchen roch die Kuh. :|

Und zwei Fische liefen munter
Durch das blaue Kornfeld hin.
Endlich ging die Sonne unter
|: Und der graue Tag erschien. :|
 


Abschied des Handwerksgesellen
Unbekannter Dichter

Ade, du liebes Städtchen,
Ade ihr lieben Mädchen,
Von euch muß ich jetzt fort, fort, fort
An ei-, an ei-,
|: An einen andern Ort,
An einen andern Ort. :|

2. Euch, die mir wohlgefallen,
Laß ich mir jetzt abmalen,
Bald weiß, bald rot, bald rosenrot,
Jetzt ist, jetzt ist,
|: Jetzt ist die Mod’ also,
Jetzt ist die Mod’ also. :|

3. Wie oft sind wir zusammen
In Compagnie gegangen
Im schönen Mondenschein, schein, schein,
Im schö-, im schö-,
|: Im schönen Mondenschein,
Im schönen Mondenschein. :|

4. Ade, du liebes Städtchen,
Ade ihr lieben Mädchen,
Von euch muß ich jetzt fort, fort, fort
An ei-, an ei-,
|: An einen andern Ort,
An einen andern Ort. :|
 


Der Mond, der scheint
Unbekannter Dichter

|: Der Mond, der scheint,
Das Kindlein weint. :|
|: Die Glock schlägt zwölf, :|
Das Gott doch allen Kranken helf’!
 


Der Mondenschein
Unbekannter Dichter

Willkommen, lieber Mondenschein,
So traulich und so hold,
Kommst du zu mir ins Kämmerlein
Und schmückst es aus mit Gold.

Und immer gehts in dieser Welt
Gar gravitätisch zu:
Man weint, man lacht, man steigt, man fällt,
Und legt sich dann zur Ruh.

Und fließen Tränen, – du bist mein –,
Ich hab so meine Ruh,
Und nur die Träne, die man weint,
Schließt heiße Sehnsucht zu.
 


Der Mond sprach zur Sonne
Unbekannter Dichter

Der Mond sprach zur Sonne ich lieb Dich,
Sag’, Sonne liebst Du mich denn auch?
Dann komm’ ich zu dir und ich küss’ Dich,
Wie das bei Verliebten der Brauch.

Die Sonne jedoch hatte Angst vor ihm,
Sie lief ihm davon und das ärgert ihn.
So läuft er schon viel tausend Jahre
Der Sonne im Dauerlauf nach.

Seit der Zeit, seit der Zeit,
Da gibt es die Nacht und den Tag.
 


Wiegenlied
Unbekannter Dichter

1. |: Gut Nacht, gut Nacht mein feines Kind,
Gut Nacht, schlaf wohl mein Kind! :|
Daß dich die Englein Hüten all,
Die in dem schönen Himmel sind!
Gut Nacht, gut Nacht mein feines Kind,
Schlaf wohl in Nächten lind!

2. |: Es singt im Busch die Nachtigall,
Im klaren Mondenschein. :|
Der Mond schaut in das Fenster dir,
Guckt in dein stilles Kämmerlein.
Gut Nacht, gut Nacht mein liebes Kind,
Gut Nacht, mein Kindelein!
 


Lydia
Unbekannter Dichter

Ich ging im Mondenschimmer
Mit Lydia Hand in Hand,
Ach, ich vergesse nimmer,
Was da mein Herz empfand.

Sie schwieg, doch eine Träne
Hing ihr im Auge hell,
Der Mond schwamm auf der Träne
Wie auf dem Wiesenquell.

Da schwanden Mond und Erde
Vor meinem Angesicht,
Nur Lydia blieb – ich werde
So selig wieder nicht.


Bajuschki baju
Russisches Volkslied

Schlaf mein Kindlein,
Halt ein Schläfchen,
Bajuschki ba – ju;
|: Silbermond und Wolkenschäfchen
Seh’n von oben zu. :|

2. Schlaf, mein Kind,
Du sollst einst werden
Wohl ein großer Held;
|: Der ein Retter uns’rer Erden
Und das Heil der Welt. :|
 


Mond ist golden aufgegangen
Volkslied aus Wales, Übersetzung Hans Baumann

Mond ist golden aufgegangen
Still in der Nacht.
Müde Welt ist schlafumfangen
Still in der Nacht.
Näher uns die Sterne winken,
Laden freundlich ein zu trinken;
Himmelsatem wir empfangen
Still in der Nacht.


Der schöne Mond will untergahn
Volkslied

In stiller Nacht,
zur ersten Wacht,
ein Stimm begunnt zu klagen,
der nächtige Wind
hat süß und lind
zu mir den Klang getragen;
von herbem Leid und Traurigkeit
ist mir das Herz zerflossen,
die Blümelein mit Tränen rein
hab ich sie all begossen.

Der schöne Mond
will untergahn,
für Leid nicht mehr mag scheinen,
die Sterne lan
ihr Gützen stahn,
mit mir sie wollen weinen.
Kein Vogelsang,
noch Freudenklang
man höret nur die Lüften,
die wilden Tier´
trau´rn auch mit mir
in Steinen und in Klüften.



 

Verstohlen geht der Mond auf
Volkslied

Verstohlen geht der Mond auf,
blau, blau Blümelein,
durch Silberwölkchen geht sein Lauf.
Rosen im Tal,
Madel im Saal,
o schönste Rosa.

Er steigt die blaue Luft hindurch,
blau, blau, Blümelein,
bis das er schaut auf Löwenburg.
Rosen im Tal,
Mädel im Saal,
o schönste Rosa.

O schaue Mond durchs Fensterlein,
blau, blau, Blümelein,
schön Trude lock mit deinem Schein!
Rosen Im Tal,
Mädel im Saal,
o schönste Rosa.

Und siehst du mich und siehst du sie,
blau, blau, Blümelein,
zwei treu’re Herzen sahst du nie.
Rosen im Tal,
Mädel im Saal,
o schönste Rosa.
 


Gestern bei Mondenschein
Volkslied

Gestern bei Mondenschein ging ich spazieren,
gestern bei Mondenschein ging ich spazieren
in dem Hausgärtelein, in dem Hausgärtelein
bei Mondenschein.

Da saß ein Mägdelein so ganz alleine
in dem Hausgärtelein bei Mondenschein.

Mägdelein, was machst du hier so ganz alleine
in dem Hausgärtelein bei Mondenschein?

Ich bind ein Kränzlein von grünen Zypressen
in dem Hausgärtelein bei Mondenschein.

Es soll dem Liebsten sein, wenn er wird kommen
in das Hausgärtelein bei Mondenschein.
 


Schlaf, Kindlein, schlaf!
Volkslied

Schlaf, Kindlein, schlaf!
Der Vater hüt’t die Schaf,
die Mutter schüttel’s Bäumelein,
da fällt herab ein Träumelein.
Schlaf’, Kindlein, schlaf!

Schlaf’, Kindlein, schlaf!
Am Himmel zieh’n die Schaf:
Die Sternlein sind die Lämmerlein,
der Mond, der ist das Schäferlein.
Schlaf’, Kindlein, schlaf’!

Schlaf’, Kindlein, schlaf!
So schenk’ ich dir ein Schaf
mit einer goldnen Schelle fein,
das soll dein Spielgeselle sein.
Schlaf’, Kindlein, schlaf!

Schlaf’, Kindlein, schlaf!
und blök’ nicht, wie ein Schaf:
Sonst kommt des Schäfers Hündelein
und beißt mein böses Kindelein.
Schlaf’, Kindlein, schlaf!

Schlaf’, Kindlein, schlaf!
Geh’ fort und hüt’ die Schaf’,
geh’ fort, du schwarzes Hündelein,
und weck’ mir nicht mein Kindelein!
Schlaf’, Kindlein, schlaf’!
 


Im Mondenschein
Volkslied

Die Blümelein, sie schlafen
schon längst im Mondenschein,
sie nicken mit den Köpfchen
auf ihren Stengelein.
Es rüttelt sich der Blütenbaum,
er säuselt wie ein Traum;
schlafe, schlafe,
schlaf du, mein Kindelein.

Die Vögelein, sie sangen
so süß im Sonnenschein,
sie sind zur Ruh gegangen
in ihre Nestelein.
Das Heimchen in dem Ährengrund
es tut allein sich kund.
Schlafe, schlafe,
schlaf du, mein Kindelein.

Sandmännchen kommt geschlichen
und guckt durchs Fensterlein,
ob irgend noch ein Kindchen
nicht mag zu Bette sein.
Und wo er nur ein Kindlein fand,
streut er ins Aug ihm Sand.
Schlafe, schlafe,
schlaf du, mein Kindelein.

Sandmännchen, aus dem Zimmer!
Es schläft mein Herzchen fein.
Es ist gar fest verschlossen
schon sein Guckäugelein.
Es leuchtet morgen mir Willkomm,
das Äugelein so fromm.
Schlafe, schlafe,
schlaf du, mein Kindelein.
 


An den Mond
August Wittmann

Aus dem Schlaraffen Büchlein »Der Hausbock und andere zum Teil sogarastreine Fechsungen vom Ritter Sinn-Bold der Truymannia«, alias August  Wittmann
 
 

Wenn ich bei Nacht den Arm leicht winkle
und still mit meinem Dackel pinkle,
wie ich es gern abseits vom Wege
vorm Schlafengehn zu halten pflege,
scheint manchmal mir mit mildem Licht
der volle Mond ins Angesicht,
und wenn ich mir dann überlege,
wer alles jetzt zur gleichen Stunde
(derweil der Urin sanft fleußt)
auch heimlich Tränen still vergeußt,
dann dank’ ich Gott aus Hertzensgrunde,
daß doch der gute, alte Mond
noch immer friedlich unbewohnt
als Trost für uns am Himmel thront.
 

Der Mond in Liedern und Gedichten
DIGITALE SAMMLUNG ERNST GIGER
ergi@pop.agri.ch