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ERNST GIGER – FOTOGRAFIE
wenn die wespen kommen –
ruhe bewahren
2018. In diesem Sommer machten auch die Wespen Schlagzeilen: Sie seien häufig und
aufdringlich wie noch nie, so und so oft habe die Feuerwehr aufgeboten werden müssen.
«Gemäss Zahlen von Wespeneinsätzen der Feuerwehr im ganzen Land ist es bereits jetzt
ein Rekordjahr», hiess es schon früh. Ich beobachte Wespen seit Jahrzehnten und kann
diese Behauptungen nicht nachvollziehen. Ich empfand sie nicht lästiger als in vielen
anderen Jahren. Im Gegenteil. Und überhaupt: Man kann mit ihnen leben, wenn sie nicht
gerade ein abnorm grosses Nest in einem Haus bauen. Noch eine Einschränkung: wer auf
Insektengift allergisch reagiert, sieht das natürlich anders, wer in den Hals oder den Mund
gestochen wird, selbstverständlich auch. Nur, wie oft kommt das vor?
Man bedenke: Wespen sind nützlich, weil sie ihre Raupen mit Ungeziefer füttern, sie sind
bewundernswert, mit welchem Eifer und Ausdauer sie Rohmaterial sammeln; als
Papierhersteller und Baumeister sowie als fürsorgliche Betreuer ihres Nachwuchses sind es
bewundernswerte Geschöpfe.
Zitat aus einem Werk des Forschers Ernst Ludwig Taschenberg (1818 – 1898:
«Ganz ruhig, Traute, keine heftigen Bewegungen! Die Wespe tut dir nichts. Nur wenn man sich
schnell bewegt, glauben die Tiere, wir wollen sie angreifen, und dann wehren sie sich. Siehst du,
Traute, jetzt fliegt sie ab. Bei Bienen und Wespen heißt es immer Ruhe bewahren, dann passiert
nichts. … Die Wespen haben auch ein Staatsnest. Nur können sie ihre Zellen nicht aus Wachs
bauen. Aber sie wissen sich zu helfen. Sie benagen Holz, zerkauen die Holzmasse, und daraus
bereiten sie einen Stoff, der ungefähr so wie unser Papier aussieht. Die Wespen haben ein Schloss
aus Papiermaché.»
Ja, zu nahe kommen sie uns erst, wenn die Brutpflege abgeschlossen ist, wenn sie arbeits-
los geworden sind, wie man heute meint, oder weil das Geben und Nehmen zu Ende ist, wie
man früher lernte: Larven, die Futter erhielten, bedanken sich mit einer Winzigkeit süssem
Speichel. Ist das zu Ende, benehmen sich die Wespen wie Süchtige und sind vor allem auf
Süsses aus.
Wespen- und Hornissenstiche lassen sich verhältnismässig leicht vermeiden. Man sollte den
Nestbereiche in Ruhe lassen. Die «Gelbschwarzen», also Hornisse, Deutsche und Gemeine
Wespe, sind grundsätzlich nicht angriffslustig.
Sind sie in Not, werden sie gequetscht, wehren sie sich. Stiche sind schmerzhaft, sicher.
Aber nicht schlimmer als jene von Bienen oder das nachhaltige Brennen nach Kontakt mit
Brennnesseln.
Mir tun Wespen leid, wenn ihre Nester zerstört werden müssen. Beispielsweise diesen
Sommer in unserem Briefkasten geschehen, an dem nicht nur ich mich zu schaffen mache.
Mehrmals begannen kleine Gruppen übereifrig im Metallkasten mit dem Nestbau. Wurden
sie gestört, bedeckten sie ihre Werke Leib an Leib. Nach dem dritten Zerstörungsakt war es
aus mit dem Eifer. Sie wirkten ratlos und desorientiert, mitleiderregend, wie am Boden
zerstört.
Nahaufnahme-Detail (Ausschnitt), die Fotos entstanden fast alle mit einer Nikon D7100 und einem Tokina Macro F 100 2.8 D
«Die gelb-schwarzen Insekten haben Hochsaison. Insektenforscher Hannes Baur
relativiert die Plage. Es seien nicht mehr Wespen unterwegs als in anderen warmen
Sommermonaten. Auch die Angst vor Wespenstichen hält Hannes Baur für übertrieben.
«Von den zwanzig gelb-schwarzen Wespenarten in der Schweiz – vom Laien schwer
auseinanderzuhalten – gehören nur zwei Arten zu den aggressiveren, die Gemeine
Wespe und die Deutsche Wespe.» (berner zeitung)
Unten: Wespen im Frühsommer auf der Suche nach Futter
für ihren Nachwuchs. Fotos EG
Oben uns links: Auf der
Suche nach Süssem.
Nicht verges-sen.
Wespen vertilgen nicht
nur „Ungeziefer“,
sie sind wie Bienen,
Hummeln und weitere
Insekten auch Blüten-
bestäuber.
Just als ich mit dem Text
begann, las ich folgende dpa-
Meldung: «Eine Wespe hat auf
der Autobahn 4 in Thüringen
mittelbar einen kilometerlangen
Stau verursacht. Nach
Polizeiangaben versuchte ein
Lastwagenfahrer am
Mittwochmorgen, das Insekt zu
vertreiben, woraufhin er die
Kontrolle über das Fahrzeug
verlor - der Laster kippte bei
Gera um. Der 30-Jährige sei
dabei leicht verletzt worden,
teilte die Thüringer
Autobahnpolizei in Schleifreisen
am Mittwoch mit. Weil der
Laster quer über beide
Fahrstreifen lag, entstand in
Richtung Frankfurt/Main ein
etwa fünf Kilometer langer Stau.
Ein Polizeisprecher vermutete,
dass es die Wespe unbeschadet
aus dem Fahrerhäuschen
geschafft haben müsste.
Auf der Suche nach Rohmaterial für den Nestbau
Wespe als Opfer einer Kreuzspinne
SCHMETTERLINGE